Montag, 11. August 2008

Plötzlich Experte im Fechten



Am Montag werde ich mich in Ruhe auf die Schwimm Wettbewerbe einlesen können. So dachte ich, bevor mich mein singendes Handy kurz vor 7 Uhr früh aus den Federn holte, wobei Federn etwas übertrieben ist, das Bett im Pekinger Friendship Hotel ist hart wie ein Brett, die Chinesen sind offenbar alles kleine Fakirs.



Am andern Ende der Telefonleitung war mein DRS Delegationsleiter und er klang besorgt: "Du einer von uns sitzt auf - und liegt über der Schüssel." Die chinesische Variante von 'Montezuma's Rache' hat ein erstes Mal zugeschlagen, Dünnpfiff.

Somit war unser Fecht Experte ausgefallen, der Mann der eine 'Battuta' von einer 'Ligade' zu unterscheiden weiss und der auf Anhieb erkennt, ob ein Sturzangriff den Ausdruck 'Flèche" verdient. Aber gemach; unser Delegetionsleiter hat immer eine Ersatzvariante im Köcher... etwas staunte ich schon, als er kurzerhand erklärte: "Marcel, du machts heute Fechten". Gottseidank meinte er damit nicht, dass ich für Michael Kauter auf die Planche sollte. Dass ich per "äxgüsi" zum Radio DRS Fecht Experten für einen Tag erkoren war, liess mich aber auch schon leer schlucken. Also los. Frühstück fliegend, durch den Security Check vom Hotel in den Olympia Bus. Suchen im Handbuch wie zum Teufel man in die Fechthalle gelangt, per Handy die Anweisung des Technikers welche Höllenmaschinen ich zur Übertragung brauche und schon gehe ich 89 Minuten später den Aufgang zur 'Fencing Hall' hinauf.

Als ich in der abgedunkelten Halle die hell ausgeleuchteten 4 Fechertpaare auf der Planche (so heisst eben die Fechtbahn, liebe Blogger Leserinnen und Leser) sah und lediglich das quitschen der stoppenden Fechtschuhe und das klirren der Degen-Klingen zu hören war, ergriff mich ein Gefühl der Freude - was bin ich doch für ein Glückspilz als Mann aus den Bergen diese herrliche Sportart kommentieren zu dürfen. Früher ging es unter adeligen im Fechten um Leben und Tod, heute ist es die edle Sportart der Intelektuellen, denen Schach zu träge ist.

Da DRS mitten in der Schweizer Nacht noch nicht kommentiert, konnte ich mich während Michael Kauters erstem Kampf neben SF TV Reporter Peter Minder setzen, um seinem während Jahren wie ein Chateau Laffite gereiften Fecht-Kommentar zu lauschen. Der Mann sieht in der Live Aktion auf der Planche (nun wisst ihr was das ist) Details, die ich kaum in der Zeitlupe erkennen konnte. Nun ja - jetzt war ich bereit: als Michael Kauter gegen einen mir bis dahin unbekannten Holländer 12 zu 15 velor, war ich auf der Höhe meiner chinesichen Aufgabe. Die Einschätzung des im Kampf gebotenen überliess ich dann aber unserem Musketier selber, der das knackig mit "Scheisse hoch 3" bezeichnete. Was uns wieder an den Anfang unserer kleinen Geschichte führt.

Euer Fechtler
Marcel Melcher

2 Kommentare:

Patrick Bürgler hat gesagt…

Wünsche gute Besserung nach Peking!

Anonym hat gesagt…

toller blick hinter die kulissen! ich wünsche mir mehr davon.