Sonntag, 24. August 2008

Abkühlung

Sie haben etwas absolut erfrischendes und Suchtpotenzial. Im Medienzentrum stehen alle paar Meter "Dekontaminations-Apparate" und man gewöhnt sich sehr schnell daran, bei jeder Passage kurz die eine Hand drunter zu halten und zu warten bis einem zwei farblose, gallertartige Tropfen in die Handfläche fallen. Hände schön einreiben - laut Anleitung vor allem auf die Fingerinnenseiten und die Nägel achte - und die Hände sind schön kühl und desinfiziert wie vor einer Operation.
Auch wenn es in Peking in den letzten 3 Wochen nur selten so heiss war wie angedroht - 35 bis 40 Grad - sondern die Temperatur meist knapp unter 30 Grad lag; die Luftfeuchtigkeit ist hoch und wo viele Leute sind, wird schnell alles schmierig.
Drum geniesse ich eben seit Wochen etwa 15 mal täglich diese kleine Erfrischung. Den chinesischen Text will ich gar nicht verstehen - möglicherweise wird irgendwo vor mittelfristigen Schäden gewarnt: Nicht mehr als 1 Mal pro Tag benutzen, in 4 bis 5 Wochen könnte sich sonst die Haut lösen Wir werden sehen.

Ueli Reist

Mittwoch, 20. August 2008

Unterwegs mit Bond












Wie wunderbar, wenn man sich verlassen kann auf die kompetenten KollegInnen aus der Sportredaktion, die zuverlässig über alles berichten, was innerhalb der Olympiastadien und auf den Rennstrecken läuft, und sich so ganz und gar auf die Berichterstattung über Randsportarten wie sprachliche Hürdenläufe, Marathon-Märten beim Einkaufen, Freistil-Taxijagd oder Schwimmen gegen den Touristenstrom konzentrieren kann.

Ehrlicherweise muss ich jetzt aber eingestehen, dass ich am letzten Freitag mit dem Touristenstrom geschwommen bin und getan habe, was jeder und jede einmal tun sollte wenn er/sie in Peking ist: die Verbotene Stadt, den Kaiserpalast besuchen.
Man kann es auch mehrmals machen, übrigens. Als ich vor drei Jahren sehr beeindruckt zum ersten Mal durch diese Tore, hinter denen immer noch ein Tor steht und über die grossen Terrassen, die auf immer noch grössere Terrassen führen und von einem prächtigen Palastbau zum nächsten noch prächtigeren ging, war ein angenehmer Tag. Aber ein bewölkter.
Kein Vergleich zu diesem Freitag, einem Tag wie aus dem Bilderbuch: Blauer Himmel mit dekorativen weissen Wolken und frischem Wind. Kaiserwetter. Die goldgelben Dächer und die roten Säulen strahlten im Sommerlicht, die Tausenden von Touristen, vor allem asiatische Touristen, taten es auch, nur war es weniger deutlich zu erkennen, weil viele von Ihnen sich unter bunten Regenschirmen gegen die Sonne schützten. Eine effektive und günstige Lösung gegen Sonnenbrand. Und viele bewegte Farbtupfer innerhalb dieser mächtigen, jahrhundertealten Anlage.
Überhaupt viel Leben, viel Bewegung, viele Kameras auch - unglaublich eigentlich, wie man mit winzigen Fotoapparaten, sogar Handycams, versucht, all dies Monumentale einzufangen. Und dabei oft das eigentliche Anschauen und Bestaunen vergisst.

Glücklicherweise gibt es dann ein paar Situationen, die einen wieder auf den Palastboden zurückholen. Zum Beispiel der Riesenandrang bei den Glaceverkäufern (die sich sinnigerweise in einer der "Halls of Harmony" eingerichtet haben). Natürlich musste ich dort auch anstehen und mir ein Eis ergattern und weiss seither, dass es tatsächlich Grün-Erbs-Glacé gibt in China. Und dass es sogar schmeckt. Mir jedenfalls.

Noch cooler als das Glacéangebot jedoch finde ich persönlich die Tatsache, dass berühmte Stimmen einen durch den Kaiserpalast führen: Auf den auf Englisch eingestellten Audio-Guides erzählt einem Roger Moore mit gepflegter BBC-Aussprache und dezentem Sarkasmus vom Leben in der Verbotenen Stadt zu Zeiten der Ming- (1368-1644) und Qing-Dynastie (1644-1911).
Quite peculiar: Ein Ex-007 in Beijing 2008.
Christina Lang.

Im Pekinger Zoo







Irgendwann ist mir aufgefallen, dass keiner und keine der Schweizerinnen und Schweizer, die ich hier in Peking porträtiere, mich im Zoo treffen will. Ich möchte ja für DRS3 unter anderem von verschiedenen Menschen, die hier leben, wissen, wie sie Peking sehen, warum sie diese Stadt so lieben, was sie hier hält. Und bitte sie deswegen jeweils, mir ihren Lieblingsort oder Lieblingsplatz hier zu zeigen. Ich habe schon Interviews in Hutong-Gassen, auf einer Terrasse, in einer Backstube, auf einer Parkbank gemacht. Aber keines im Zoo. Also bin ich einfach alleine mal hingegangen.

Der Zoo von Peking, gebaut 1908 als "Zehntausend-Tiere-Garten", ist eine riesige, weitläufige, sattgrüne, saubere Parkanlage auf einem Gelände von 50000 Quadratmetern. Und brüstet sich damit, über 600 verschiedene Tierarten in mehr als 30 grossen Hallen und vielen kleinen zu zeigen. Und ist doch vor allem wegen seiner Hauptattraktion so bekannt: wegen seiner Pandabären.

Die Pandabären sind die Stars. Und benehmen sich wie Diven. Bewegen sich nicht ausserordentlich viel, schlafen vor allem und lassen sich bestaunen und verhätscheln. Aus sicherer Distanz, natürlich. Sie bewohnen ein grosszügiges Haus und Gehege, einen üppigen Garten eigentlich, mit kleinem (aber vermutlich sehr robustem) Robinsonspielplatz. Und sie haben eigene Pandasouvenirshops.... für die Besucher, selbstverständlich.

Gerade kleine Besucher strömen in Scharen zu den Pandas. Sie werden angekarrt in Kinderwagen, hergetragen auf den Schultern oder -gezogen an der Hand, und sie reagieren zuverlässig mit begeistertem Krähen auf alles, was schwarz-weiss und flauschig ist. Seien es die kleinen Plüschsouvenirs oder die echten Grossen Pandas. Die im Übrigen sehr entspannt weiterdösen auf dem Baum, ganz egal wie laut das Geschrei ist, das Knipsen der Fotoapparate, wie hell die Blitzlichter sind oder wie irritierend die gelegentlichen Rauchfäden, die von Zigaretten aufsteigen.

Die zweite grosse Attraktion im Pekinger Zoo ist ein modernes Aquarium. Sieht sehr neu aus, kostet Extra-Eintritt (110 Kuai, etwa 18 Franken) zieht aber mit sehr schön nachgebauten Unterwasserlandschaften und einer grossen Delfinshow viel Publikum an.

Zu Fuss von den Pandas (ziemlich beim Eingang des Zoologischen Gartens) zum Aquarium (am Nordende davon) hat man, wenn man sich wirklich die Zeit nimmt, um etwas anzuschauen unterwegs, ungefähr drei Stunden. Und entdeckt dann eben vieles, das schon recht desolat aussieht. Alte, kleine und karge Gehege und Käfige, mit Abdeckungen, die vor sich hin rosten und Farbe (gewisse der Kleintiergehege scheinen ursprünglich einmal von Kindern bemalt worden zu sein), die von den Wänden blättert. Einige dieser Verhältnisse könnten tierliebenden Westlern schon ihr Herz brechen, und erklären, dass man kaum guten Gewissens den Pekinger Zoo als einen Lieblingsort angeben kann. Die Zustände einzelner Anlagen verleiten sehr dazu, die Zoobewohner als traurig, müde, verängstigt oder apathisch zu beschreiben - obwohl sie vielleicht nichts davon wirklich sind und nur einfach unter der Hitze und dem hohen Publikumsandrang leiden. Ausgehungert oder krank sah keines der Tiere aus.

Auch die Menschen nicht. Aber das hängt damit zusammen, dass es im Zoo in Peking zu und her geht wie auf einer riesigen Chilbi. Essens- und Getränkestände überall, Eis, Souvenirs, Kinderspielzeug, sogar Zuckerwatte gibt es! (Sie ist nicht rosa und auf einem Holzstäbchen aufgetürmt, sondern weiss und auf einer Art Papierrolle). Ein buntes Durcheinander von Leuten, alt und jung: Väter picknicken mit ihren Kindern, Frauen kichern mit ihren Freundinnen, coole Jungs entführen ihr Mädchen auf eine Bootsfahrt auf dem Fluss, der sich durch den Zoo schlängelt, ältere Damen gönnen sich eine Zigarette, Touristen knipsen wie wild - alles sehr laut, sehr lebhaft. Sehr chinesisch.

Christina Lang.

Dienstag, 19. August 2008

28 Weltrekorde haben satt gemacht


Bis zum Beginn dieser Olympischen Spiele waren Rekorde in meinem Leben eine eindrückliche Sache: Ich kann mich noch gut erinnern, wie gut ich mich fühlte, als ich in Zürich (1981 oder 1982) miterleben durfte, wie der Zehnkämpfer Stephan Niklaus einen neuen Schweizer Rekord aufstellte und der erste Schweizer war, der die 8000 Punkte Marke knackte.

Das Gefühl des Erlebens einer einzigartigen Leistung ist im Pekinger Aquatics Center nun aber ziemlich verwässert worden. In diesen olympischen Tagen wurden dort 25 (in Worten fünfundzwanzig) neue Weltrekorde aufgestellt. Wieviele davon ich von unserem Reporterplatz in der Halle aus gesehen habe, kann ich nicht einmal mehr nachvollziehen. Es werden wohl ein gutes Dutzend gewesen sein. Im "Birds Nest" durfte ich auch schon drei WR's mitverfolgen und weil hier meine Erinnerung noch mitmacht, weise ich den Verdacht auf erste Anzeichen von Alzheimer von mir.

In bleibender Erinnerung dürfte sich Usain Bolt in meine rostigen Hirnwindungen eingebrannt haben. Die unnachahmlich coole Art und Weise, wie der Jamaikaner Sieg, Jubel und Weltrekord vereinte, hat nicht allen Sport Puristen gefallen - mir aber schon. Als sich der King of Sprint in vollem Tempo noch vor der Ziellinie mit der Faust auf die Brust schlug, sass ich rund 25 Meter davon entfernt.

Ob seine Zeit von 9.69 Sekunden Bestand haben wird, ist aus meiner Sicht offen. Auf Jamaika gelingt den Doping Fahndern offenbar praktisch keine überraschende Kontrolle; wenn Kontrolleure unterwegs auf die Insel sind, wissen es die Leichtathleten vorher. Weil aber die Doping Proben der Olympischen Spiele neuerdings 8 Jahre lang aufbewahrt werden, könnte in Zukunft eine heute noch nicht nachweisbare Doping Methode in ein paar Jahren ans Licht kommen. Bis dann aber gilt die Unschuldsvermutung: Super Bolt!

Grüsse aus Beijing,
Marcel Melcher

Freitag, 15. August 2008

Gleichgeschaltet


65 chinesische TV-Prgramme auf dem Hotel-Fernseher und überall dasselbe wie bei uns. Grottenschlechte Schauspieler chargieren in Soaps zu den Themen Liebe, Geld und Hoffnung; in Talk-Shows beichten Leute von der Strasse vermeintliche oder erfundene Sünden, finden sich nach Jahren vermisst gegelaubte wieder; Leute, denen man garantiert nie etwas abkaufen würde, bieten unglaubliche Schnäppchen feil - sofern man jetzt grad anruft; auch hier gibt es die allerallerallerlustigstultimativste Pannen-Show und chinesische Nachrichten-Sendungen präsentieren sich und was sie für wichtig halten im CNN-Design und neben den witzgsten Werbespots der Welt ist auch die eigentliche Werbung durchwegs mit westlicher Musik untermalt. Und zu einer Art Spiel-ohne-Grenzen-Show, in der die Kandidaten neben dem Auftritt im Fernsehen sonst noch was gewinnen können, läuft bon Jovi mit "it' s my life". Ausgerechnet.

Donnerstag, 14. August 2008

Regen der aus dem Nichts kommt

Wir in den Alpen, erkennen wir den Aufzug schlechten Wetters bereits am Verhalten der Steinböcke. Dann ändert die Windrichtung, es ziehen erste mittelgraue Wolken auf, es wird bedeckt, dunkler, der Wind frischt auf und dann fällt Regen. Weil über der Chinesischen Metropole nicht Petrus sondern das Zentralkomitee die Fäden in der Hand hält und der Smog die Farbe des Himmels zwischen mittel-mittelgrau und dunkel-mittelgrau variieren lässt, kommt der Regen in Beijing so schnell wie der Taschendieb im New Yorker Stadtteil Bronx.

Heute wurde ich zusammen mit Viktor Röthlin davon überrascht. Er hat uns sein Trainingsgelände im Hong Fu Garden gezeigt und erzählt dass es ihm 10 Tage vor dem Olympischen Marathon prächtig geht. Er posierte vor dem Hung Fu Lakeside Hotel für die Fotografen, als dem Nichts ein Sturm aufzog, der im Skigebiet der Corviglia sämtliche Sessellifte innert 8 Sekunden zum Nothalt gezwungen hätten. Victor Röthlin war happy, weil er es gerne sieht, wenn es hier kühler wird. Ich war weniger happy, weil meine klitschnassen Sachen weder in der gekühlten Luft des International Broadcasting Center, noch in der Feuchten Aquatics Halle in den nächsten zehn Stunden trocknen werden.

Euer pitschnasser
Marcel Melcher

Und wir zeigen es doch...


Eigentlich nur ein kleiner Nachtrag, zu Ueli Reists schöner Geschichte: Ich schlage vor, wir verzichten NICHT auf ein Bild dazu, sondern im Gegenteil: wir zeigen es.
Hier. Das offizielle Chinesische Spuck-Verbotsschild.

Worauf jedoch bestimmt alle gerne verzichten können ist auf meine Fortsetzung von Marcel Melchers Geschichte. Deswegen beschränke ich mich einfach nur darauf zu sagen: Es läuft gut! Mit Medaillen für die Schweiz und mit mir.

Herzlich - Christina Lang.